Pannen-Leitstelle Harrislee: 40 Minuten lang war alles tot (1. April)
(
shz)
Die Computer stürzten um 16.20 Uhr ab. Quälende 40 Minuten vergingen, bis alle Rechner wieder liefen.
Es war nicht der erste Fehler in der modernsten Leitstelle im Land, wohl aber der schwerste. Kaum auszudenken, was passiert wäre,
wenn das System am Morgen ausgefallen wäre, als die Kooperative Leitstelle Harrislee (Kreis Schleswig-Flensburg) den Großeinsatz
beim Busunglück von Glücksburg koordinieren musste.
Für Nordfrieslands Landrat Dieter Harrsen (parteilos) ist mit diesem Vorfall eine Grenze überschritten worden. Er warnt: „Die
häufigen Fehler und Ausfälle gefährden unmittelbar die Bevölkerung.“ Um zumindest das zu verhindern, haben die Mitarbeiter in
Harrislee in Eigenregie ein Alarmierungssystem auf Basis der alten Technik installiert. Sacha Münster, Sprecher der Leitstelle:
„Diese Rückfallebene hilft uns notdürftig bei Systemabstürzen.“
Seit sieben Monaten ist die Kooperative Regionalleitstelle in Betrieb, und seit sieben Monaten knirscht es gewaltig. Polizisten
klagen darüber, dass die Disponenten nur schwer zu erreichen sind. Ein flüchtiger Verdächtiger sei deswegen entkommen. In einem
anderen Fall rasten Beamte zu einem mehr als 20 Kilometer entfernten Tatort, obwohl der nächste Streifenwagen nur zwei Kilometer
entfernt stand. Doch der war in der Leitstelle übersehen worden. Feuerwehrmänner, die einen Notarzt am Einsatzort brauchten,
konnten ihn erst nach 18 Minuten über sein Privathandy erreichen. Und in einem Fall konnten Notrufe nicht angenommen werden. Die
Mitarbeiter in der Leitstelle reagierten geistesgegenwärtig, notierten die Nummern auf ihren Telefondisplays und riefen zurück.
Für die Disponenten ist der monatelange Kampf mit der Technik eine enorme Belastung: Etliche Polizeibeamte klagen bereits über
Schlaflosigkeit, Gereiztheit, Albträume und Ohrensausen. Der Totalausfall vom Freitag hatte seine Ursache in einem Software-Update
der Polizei in Lübeck. Die Leitstellen im Land sind miteinander verbunden, um füreinander einspringen zu können. Stattdessen
kriechen Probleme durch das Netzwerk. So warfen andere Updates die Software in Harrislee in einen mehrere Monate alten Stand
zurück. Fehler, die bereits ausgemerzt waren, tauchten wieder auf. Für Bogislav-Tessen von Gerlach (parteilos), Landrat des
Kreises Schleswig-Flensburg, ist das eine „hochbrisante Situation“. Er forderte vom Innenminister: „Erst wenn sichergestellt ist,
dass der Betrieb in Harrislee nicht mehr gefährdet wird, darf anderswo wieder Software aufgespielt werden.“ Landrat Dieter Harrsen
ging noch einen Schritt weiter, wollte Harrislee aus dem Verbund trennen, bis die Probleme gelöst sind. Doch das ist laut
Innenministerium nicht möglich. Die Lösung, auf die man sich gestern geeinigt hat: Jedes Update muss künftig angemeldet werden,
damit es keine bösen Überraschungen mehr gibt. Und in Harrislee stehen Techniker bereit. „Ich klopfe auf Holz und hoffe, dass
diese Maßnahmen helfen“, sagte Harrsen.