SONDERRECHTE & BLAULICHT - § 35 + 38 DER STVO
Gesetzestext:
StVO § 35 Sonderrechte
Fassung: 2001-02-01
(1) Von den Vorschriften dieser Verordnung (StVO) sind die Bundeswehr, der
Bundesgrenzschutz, die Feuerwehr, der Katastrophenschutz, die Polizei und der
Zolldienst befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist.
(1a) Absatz 1 gilt entsprechend für ausländische Beamte, die aufgrund völkerrechtlicher
Vereinbarungen zur Nacheile oder Observation im Inland berechtigt
sind.
(2) Dagegen bedürfen diese Organisationen auch unter den Voraussetzungen des
Absatzes 1 der Erlaubnis,
1. wenn sie mehr als 30 Kraftfahrzeuge im geschlossenen Verband (§ 27) fahren
lassen wollen,
2. im übrigen bei jeder sonstigen übermäßigen Straßenbenutzung mit Ausnahme der
nach § 29 Abs. 3 Satz 2
(3) Die Bundeswehr ist über Absatz 2 hinaus auch zu übermäßiger Straßenbenutzung
befugt, soweit Vereinbarungen getroffen sind.
(4) Die Beschränkungen der Sonderrechte durch die Absätze 2 und 3 gelten nicht bei
Einsätzen anläßlich von Unglücksfällen, Katastrophen und Störungen der öffentlichen
Sicherheit oder Ordnung sowie in den Fällen der Artikel 91 und 87a Abs. 4 des
Grundgesetzes sowie im Verteidigungsfall und im Spannungsfall.
(5) Die Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikpakts sind im Falle
dringender militärischer Erfordernisse von den Vorschriften dieser Verordnung befreit,
von den Vorschriften des § 29 allerdings nur, soweit für diese Truppen Sonderregelungen
oder Vereinbarungen bestehen.
(5a) Fahrzeuge des Rettungsdiensts sind von den Vorschriften dieser Verordnung
befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere
gesundheitliche Schäden abzuwenden.
(6) Fahrzeuge, die dem Bau, der Unterhaltung oder Reinigung der Straßen und Anlagen
im Straßenraum oder der Müllabfuhr dienen und durch weiß-rot-weiße
Warneinrichtungen gekennzeichnet sind, dürfen auf allen Straßen und Straßenteilen und
auf jeder Straßenseite in jeder Richtung zu allen Zeiten fahren und halten, soweit ihr
Einsatz dies erfordert, zur Reinigung der Gehwege jedoch nur, wenn das zulässige
Gesamtgewicht bis zu 2,8t beträgt. Dasselbe gilt auch für Fahrzeuge zur Reinigung der
Gehwege, deren zulässiges Gesamtgewicht 3,5t nicht übersteigt und deren
Reifeninnendruck nicht mehr als 3 bar beträgt. Dabei ist sicherzustellen, dass keine
Beschädigung der Gehwege und der darunterliegenden Versorgungsleitungen erfolgen
kann. Personen, die hierbei eingesetzt sind oder Straßen oder in deren Raum
befindliche Anlagen zu beaufsichtigen haben, müssen bei ihrer Arbeit außerhalb von
Gehwegen und Absperrungen auffällige Warnkleidung tragen.
(7) Messfahrzeuge der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (§ 66 des
Telekommunikationsgesetzes) dürfen auf allen Straßen und Straßenteilen zu allen Zeiten
fahren und halten, soweit ihr hoheitlicher Einsatz dies erfordert.
(8) Die Sonderrechte dürfen nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden.
|
Der § 35 der Straßenverkehrsordnung besagt also, dass u.a. Fahrzeuge des
Rettungsdienstes unter bestimmten Voraussetzungen von den Vorschriften der StVO
befreit werden können. Für den Rettungsdienst ist diese Voraussetzung aber nur dann
gegeben, "wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere
gesundheitliche Schäden abzuwenden", es regelt also den "Rechtfertigender
Notstand" (§ 34 StGB) für die Straßenverkehrsordnung. Im Notfall darf der Fahrer eines
Rettungswagens also schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit und entgegen der
Fahrtrichtung fahren sowie rote Ampeln überfahren und im Halteverbot halten.
Für die Inanspruchnahme der Sonderrechte wird kein Blaulicht und/oder Martinshorn
benötigt, die Verwendung der Sondersignale wird im § 38 der StVO geregelt. Tatsächlich
aber ist die Nutzung der Sonderrechte in der Praxis des Rettungsdienstes (fast)
untrennbar mit der Verwendung der Sondersignale verbunden. Als Beispiel für eine
Verwendung der Sonderrechte ohne Sondersignale wäre die prä-eklamptische Patientin,
die zwar schnell ins Krankenhaus transportiert werden muss, dabei jedoch keinerlei
starken evtl. krampfauslösenden Reizen optischer oder akkustischer Natur ausgesetzt
werden darf.
Das Parken und Halten an der Einsatzstelle würde in der Notfallrettung auch noch
darunter fallen, während im Krankentransport ein Halten in zweiter Reihe oder im
Parkverbot wohl nur mit dem § 16 OWiG zu rechtfertigend ist, indem man die Ehre und
Würde des Patienten (der sonst einen längeren Transportweg auf der Trage durch die
Nachbarschaft auf sich nehmen müsste) über die mögliche Verkehrsbehinderung stellt.
So großzügig der § 35 StVO dem Fahrzeugführer auch die Übertretung der übrigen
Vorschriften der StVO erlaubt, die Durchführungsbestimmungen sind streng
gehalten. Ganz eindeutig weist der § 35 der StVO darauf hin, dass diese Befreiung von
den Vorschriften der StVO nur unter größter Sorgfalt und Aufmerksamkeit gewährt wird.
Das heißt für den Fahrzeugführer, dass er sich versichern muss, dass seine geduldete
"Übertretung" der Vorschriften keine anderen Verkehrsteilnehmer oder die öffentliche
Sicherheit gefährdet.
Die Entscheidung und die Durchführungsverantwortung für die Verwendung der
Sonderrechte liegen einzig und allein beim Fahrzeugführer, zwar kann die Leitstelle, der
patientenbegleitende RA oder Notarzt die Verwendung der Sonderrechte genehmigen
bzw. anraten, über die "Dosierung" entscheidet allein der Fahrer.
Auch beziehen sich die Sonderrechte nur auf Vorschriften und Regelungen der StVO,
andere gesetzliche Vorschriften bleiben davon unberührt, so z.B. das Fahren unter
Alkohol-, Drogen- und Medikamenteneinfluß (StVG) oder das Führen eines Fahrzeuges
ohne Fahrerlaubnis (StVG). Ausdrücklich ausgenommen bleibt der § 36 StVO, Zeichen und
Weisungen von Polizeibeamten sind immer Folge zu leisten.
Gesetzestext:
StVO § 38 Blaues Blinklicht und gelbes Blinklicht (Wegerecht)
Fassung: 1992-03-19
(1) Blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn darf nur verwendet werden, wenn
höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche
Schäden abzuwenden, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung
abzuwenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten.
Es ordnet an:
"Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen".
(2) Blaues Blinklicht allein darf nur von den damit ausgerüsteten Fahrzeugen und nur zur
Warnung an Unfall- oder sonstigen Einsatzstellen, bei Einsatzfahrten oder bei der
Begleitung von Fahrzeugen oder von geschlossenen Verbänden verwendet werden.
(3) Gelbes Blinklicht warnt vor Gefahren. Es kann ortsfest oder von Fahrzeugen aus
verwendet werden. Die Verwendung von Fahrzeugen aus ist nur zulässig, um vor
Arbeits- oder Unfallstellen, vor ungewöhnlich langsam fahrenden Fahrzeugen oder vor
Fahrzeugen mit ungewöhnlicher Breite oder Länge oder mit ungewöhnlich breiter oder
langer Ladung zu warnen.
|
Der Paragraph 38 der StVO regelt nun die Verwendung von Blaulicht und Martinshorn
und das Verhalten gegenüber solchen Fahrzeugen. Durch das zusammen mit dem Blaulicht
verwendet Martinshorn wird den übrigen Verkehrsteilnehmern die Sonderstellung
des Einsatzfahrzeuges signalisiert, die Verwendung der Sonderrechte optisch und akustisch
mitgeteilt.
Außerdem wird allen Verkehrsteilnehmern auferlegt, dem Einsatzfahrzeug sofort und
unverzüglich frei Bahn zu schaffen, was in der Praxis u.a. heißt, die Geschwindigkeit des
eigenen Fahrzeugs zu drosseln, gegebenenfalls auch anzuhalten, trotz grüner Ampel
nicht in die Kreuzung einzufahren oder sie gar zu überqueren, Einsatzfahrzeuge
ungehindert überholen zu lassen, kurz gesagt: Er muss auf alle seine Vorrechte
verzichten.
Diese Anweisung gilt jedoch nur bei gleichzeitiger Verwendung von Blaulicht und
Martinshorn, ein Fahren ausschließlich mit Blaulicht ist zwar gestattet, hat aber keine
anweisende Wirkung an andere Verkehrsteilnehmer. Durch die Kombination mit dem
Sonderrechtsparagraphen ist der Inanspruchnehmer der Wegerechte strengstens
angehalten, dem Verkehr vollste Rücksicht zu zollen. Er darf sich über die Vorrechte der
anderen Verkehrsteilnehmer also erst dann hinwegsetzen, wenn er sich davon
überzeugt hat, dass diese auf sie verzichten. Das heißt also für die Praxis z.B. Einfahren
in die Kreuzung bei "Rot" nur im Schrittempo.
Auszug aus dem Bussgeldkatalog (Stand 1. April 2004):
Blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn oder allein oder gelbes Blinklicht
missbräuchlich verwendet 20 Euro
Einem Einsatzfahrzeug, das blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn
verwendet hatte, nicht sofort freie Bahn geschaffen 20 Euro
An einer engen oder unübersichtlichen Straßenstelle oder im Bereich einer scharfen
Kurve geparkt (§ 12 Abs. 2 StVO), wenn ein Rettungsfahrzeug im Einsatz behindert
worden ist 40 Euro, 1 Punkt
Vor oder in amtlich gekennzeichneten Feuerwehrzufahrten geparkt (§ 12 Abs. 2 StVO) 35 Euro
Vor oder in amtlich gekennzeichneten Feuerwehrzufahrten geparkt (§ 12 Abs. 2 StVO)
und dadurch ein Rettungsfahrzeug im Einsatz behindert 50 Euro, 1 Punkt
|