Nachbar statt Notruf: "Halligretter" (sh:z - 7. Januar 2009)
Wenn auf dem Festland etwas passiert, kann jeder Bürger davon ausgehen, dass binnen zwölf Minuten Retter vor Ort sind. Doch die Hallig-Bewohner sind, zumindest was die Erstversorgung verunglückter Menschen angeht, auf sich selbst angewiesen. Bei schlechtem Wetter kann es etwas länger dauern, bis Rettungshubschrauber oder Seenotkreuzer eintreffen, schlimmstenfalls können beide nicht starten. „Hilfe zur Selbsthilfe“ ist dann die Devise.

Der Kreis Nordfriesland unterstützt die Bewohner der Halligen mit dem Projekt „Hallig-Retter“. Christian Wehr, Leiter des Brand-, Katastrophenschutzes und Rettungswesens, stellte es den Bürgern der Hallig Nordstrandischmoor vor. „Lüttmoor“ ist die letzte der Halligen, die noch nicht in das Projekt eingebunden ist. Auf den Halligen Gröde, Langeneß, Oland und Hooge ist es bereits mit Erfolg umgesetzt worden. Die „Lüttmoorer“ kamen zum Entschluss: „Wir machen mit und lassen uns zum Hallig-Retter ausbilden“. Beispiele aus jüngster Zeit hätten gezeigt, wie wichtig Erstversorgung sei. So fiel ein Kind in eine Scheibe. Fast wäre es verblutet, wenn nicht jemand in der Nähe gewesen und beherzt aus bereits erworbenen Kenntnissen heraus richtig gehandelt hätte. Die Blutung konnte gestillt werden, bis der Notarzt eintraf. Oft würden auch Urlauber zu Fall kommen, sich etwas brechen oder Prellungen zuziehen.

Kreis und Land Schleswig-Holstein halten allen Teilnehmern die Ausbildungskosten von der Hand. Die fundierte Ausbildung, so Wehr, sei mehr als ein Erste-Hilfe-Kursus. Sie werde von Rettungsassistenten der Kreisleitstelle an einem Wochenende durchgeführt sowie einmal jährlich mit einem Auffrischungskurs ergänzt. „Ich bin stolz über das Engagement der Mitarbeiter. Ohne die breite und freiwillige Unterstützung des Teams innerhalb der Logistik und Ausbildung wäre das Projekt nicht denkbar gewesen“, erläutert Wehr.

In dem Kurs würden die zur Verfügung gestellten Materialien für die Soforthilfe erläutert und ihre Handhabung geprobt. Die Unterbringung, möglichst in einem trockenen, für alle zugänglichen Raum, werde vor Ort geklärt. Die Bewohnerin Ruth Kruse machte „Nägel mit Köpfen“. Sie schlug einen Termin zur Schulung für das vorletzte Januar-Wochenende 2009 vor, dem alle „grünes Licht“ gaben. „Wir sind zwar gewohnt bei Notfällen einzugreifen, doch eine intensive Schulung ist wichtig“, meinte sie. Wehr regte an, sich Gedanken zu machen, ob nicht eine Schaufelkorbtrage, eine Art Rettungsschlitten, zum Transport Schwerkranker von der Hallig angeschafft werden sollte. Der Schlitten müsste, so Wehr, sicher und einfach auf den Loren befestigt werden können. Im Kurs würde jeder ohnehin lernen, Verletzte sicher zum Transport vorzubereiten. Auf dem Festland könnte der Verletzte durch den Rettungsdienst in Empfang genommen werden. Eine Fahrt mit der Lore dauere lediglich 15 Minuten. Das werde bereits bei leichteren Verletzungen, so Kruse, so gehandhabt. „Jetzt ist die Gelegenheit da, noch Gelder für eine so sinnvolle Anschaffung locker zu machen“, meinte Wehr.

Im Übrigen gäbe es noch telemedizinische Module. Beispielsweise könnten bei Verdacht auf Herzinfarkt die „Hallig-Retter“ die EKG-Signale an das Klinikum Nordfriesland per Datenfernübertragung weiterleiten. Per Telefon könne der Notarzt direkte Anweisungen zur weiteren Versorgung geben. Doch für eine solche Anschaffung seien die Folgekosten zu hoch. Wehr: „Das macht wenig Sinn.“